Ein Tag im Leben von M.H. Steinmetz

06:15

Der Wecker klingelt, doch meine Hand beschließt, in einer Art Eigenleben, dem Lärmen ein Ende zu bereiten. Wenn auch nur auf Zeit.

06:25

Erneut begehrt der Wecker auf. Dieses Mal schwinge ich meine Beine aus dem Bett, mechanisch, im dunkeln. Der Weg zum Badezimmer verläuft über den Rücken meines Hundes, der registriert, das es Überlebende der Nacht gibt. Ich finde meine Brille und erkenne die ungeschönte Wahrheit im Spiegel, dieser fremde Mensch, der mir jeden morgen begegnet.

07:00

Der lebenswichtige Kaffee wird zum Sprint. Hastig lese ich die Zeitung, checke diverse Postfächer und laufe, noch immer einem Zombie gleich, nach unten, greife nach meinen Sachen und verlasse das Haus. Zombiefikation lässt übrigens keine Abweichung vom normalen Ablauf zu. Nicht den geringsten. Keine Fragen, keine Grüße, nichts!

07:20

Ist es ein guter Tag, fahre ich mit dem Rad. Heute ist ein guter Tag, das radeln hat meine Lebensgeister geweckt und ich konnte mich über die Stausteher amüsieren. Hat was, baut auf, ist fast wie Ostern.

07:30

Kaffee Nummer 2+3 in schneller Folge. Noch bin ich allein im Büro und starre meine Bildschirme an, die mir irgendetwas sagen wollen. Ach ja, arbeiten!

08:00 - 12:00

Der alltägliche Wahnsinn, bestehend aus stumpfem programmieren, endlosen Diskussionen warum dies so gemacht wurde und nicht anders, Telefonate mit Chinesen, die versuchen, Englisch zu sprechen (wahlweise Franzosen, was noch lustiger klingt) und dem beantworten von Emails, wenn Bediener mit eindeutigen Textmeldungen nicht klar kommen. Dazwischen, wer hätte es gedacht, Kaffee. Und manchmal die Idee, so etwas wie Stromberg zu schreiben, ein Theaterstück vielleicht. Von Kollegen mit Kollegen für Kollegen. Denn anderen Menschen verstehen das nicht.

12:00 - 12:30

Land in sicht, Mittagspause. Die Zombiefikation befindet sich im Begriff der Auflösung, weigert sich aber noch, gänzlich zu schwinden. Leckeres, überraschend gesundes Essen und Kaffee Nummer 4. Mindestens.

12:30 - 17:00

Eine Art kleines Finale, wenn der Sekundenzeiger einzufrieren scheint und unendlich langsam seine Runden dreht. Doch manchmal, heute vielleicht, eine lustige Inbetriebnahme unten im Werk, da geht was, vor allem jedoch die Zeit vorrüber. Dazwischen Game of Throns, wenn es um Schuldzuweisungen und Fehler geht. Und immer wieder bin ich der scheiß Zwerg.

17:00

In Jan Ulrich Manier nach Hause radeln und erneut über die Stausteher lachen, das kann ich. Aber nicht weit. Zuhause bereue ich den Sprint direkt und beschließe, öfters mit dem Rad zu fahren. Der Wille ist alles. Oder die Idee, bei der es meistens bleibt.

17:20

Der Hund wartet schwanzwedelnd an der Haustür. Das er mir nicht die Leine hinwirft, ist alles. Also ran mit dem schwarz-weißen Kerl an die 15m-Leine und ab in die Felder. Er gibt ordentlich Gas und reißt mir dabei fast den Arm aus dem Körper, was mich auf meine Zombiegeschichte bringt, die ich gerade schreibe. Hund mit Leine, an der noch ein Arm hängt. Tolle Idee. Bullshit. Wie auch immer, das macht den Kopf frei, gibt mir Gelegenheit, abzuschalten und mich auf das zu freuen, was am Abend ansteht: schreiben!

18:20

Vom Feld zurück erwartet mich das normale Leben mit der Faust ins Gesicht. Einkaufen, Post, weiterer Bullshit. Also ins Auto und die Liste abgeklappert, vorzugsweise im nahegelegenen Notstandsgebiet namens Vorstadt, in der man getrost den Zombiemodus wieder einschalten kann, um nicht aufzufallen. Hier kaufen die Leute vorzugsweise den billigsten Fusel, um sich die Beine einzureiben. Ja nee, is klar. Dann besser Zombie sein.

Optional, also an bestimmten Tagen, schwinge ich mich erneut aufs Rad und besuche mein Pferd, um Dinge damit zu tun, wie putzen, reiten, den ganzen Kram eben. Läuft aber bei mir nicht mehr so gut wegen dem Rücken. Daher nur an bestimmten Tagen ;-)

19:00

Endlich gechafft. Tagesgechäft erledigt, doch der Hund nervt und die Waschmaschine signalisiert, das sie entleert werden möchte. Klappe auf und ausgeräumt, nebenbei mit den Eltern telefoniert, man will ja auf dem Laufenden bleiben. Entscheidung Aufhängen (kostet Zeit) oder Trockner (kostet Strom) mit einem weiteren Kaffee fällen. Okay, es ist Sommer, also aufhängen.

19:30

Ich sitze mit einem Jack Daniels Fire mit extra viel Eis (Salut an die Whiskeyfetischisten) auf dem Balkon, die Füße hochgelegt, das Laptop eingeschaltet, und beobachte die Hühner im Hof, die sich mit diversen anderen Vögeln ums Futter streiten. Mein Unterbewußtsein warnt mch vor einer zu entspannten Poition. Während ich den Pferden zusehe, wie sie eine Katze über die Koppel verfolgen, treffe ich die Entscheidung, an welchem Projekt ich denn weiterarbeiten soll. Horror oder Horror oder Horror. Insgesamt sind es fünf Projekte, die gleichzeitig wachsen.

20:00

Kurzer Break um Nachrichten zu schauen. Nachrichten sind wichtig. Man will ja auch in weltlichen Dingen informiert sein. Paralleles Netzwerken inbegriffen. Und dann, ja klar, mit dem Hund die nächste Runde, dieses mal durch den Wald. Muss.

21:00

Jetzt sitze ich auf der Couch, das Laptop auf den Beinen, passende Musik als Hintergrundberieselung, und beginne mit dem Schreiben. Jedes Projekt hat seinen eigenen Soundtrack. Das ist verdammt wichtig. An manchen Tagen beginnt einhergehend damit der Kampf gegen den Sandmann, denn der schüttet (besonders, wenn der Tag stressig war) mit hämischen Lachen ganze Wagenladungen von dem Dreck in meine Augen und gibt mir zur Sicherheit noch eine mit dem Baseballschläger hinterher, sollte ich mich des einschlafens erwehren. Aber heute läuft die Sache gut, die Zeilen rattern geradezu herunter. Zwischendurch Recherche und einen weiteren JD. Wenn man schon in einigen Rezensionen mit Kafka und Bukowski verglichen wird, muss man dem ja zumindest im Lebensstil gerecht werden.

00:00

Die Sache läuft heute wirklich rund, doch jetzt ist es Zeit für nen Break, denn der Hund meldet seine Nachtruhe in Form von "wir gehen dann mal um den Block" an. Sprich, er spring auf meine Beine, schiebt dn Kopf über das Laptop und starrt mich an. Ohne Zunge, einfaches starren. Mein Rücken protestiert auch schon wieder und das ist gar nicht gut. Also raus und die finale Runde ab in den Wald. Nett hier, im dunkeln. Manchmal trifft man auf Rehe, dann auf Wildschweine. Einmal sogar nen anderen, freilaufenden Hund. Oft hört man seltsames Gezeter, das den mutigen Hund dazu veranlasst, zu blocken oder sich hinter mir zu verstecken. Meistens läufts ...

00:30 - 01:00/02:00

Zeit zum abschließenenden Schreib-Endspurt oder ne Folge Penny Dreadful, weil ich Mrs. Ives schlichtweg verehre. Dann, ich schätze, ich bin der letzte auf dem Hof, läuft der Zombie wieder ins Bad, schaltet nach und nach die Systeme ab und kriecht ins Bett. Über den Rücken des Hundes, versteht sich, der mal wieder im Weg liegt ...

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© M.H. Steinmetz - Autor